Zum 25-jährigen Jubiläum der Hochschule und als besonderer Höhepunkt zweier intensiver Semester gaben die Studierenden der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe beim „Rundgang durch die Lichthöfe der HfG 2017“ den Besucherinnen und Besuchern Einblicke in ihre künstlerischen und theoretischen Arbeiten, Produkte, Entwürfe und Ideen. Der diesjährige Rundgang fand vom 13. – 15. Juli 2017 in den Lichthöfen der HfG statt und wurde am 13. Juli um 18 Uhr vom Rektor der Hochschule Prof. Dr. Siegfried Zielinski eröffnet. Ein besonderes Highlight des Eröffnungsabends war das anschließende Konzert des Ensembles „Raum-Musik für Saxophone“. Auch das DRAGlab Karlsruhe war auf dieser Ausstellung zu begutachten und lud zur öffentlichen Selbsterfahrung ein. Es wurden einige Performances in Drag veranstaltet und eine Podiumsdiskussion zum Thema "Kulturelle Aneignung", sowie ein Vortrag über das Experimentieren mit sozialen Formen gehalten.

Programm

Freitag 13:00

Tuntige Ästhetik – Performativer Widerstand
Die Tunte als Figur zwischen Politik und Performance

Ein Vortrag des Kunst-, Medien- und Sozialwissenschaftlers Muriel Aichberger

AfD, besorgte Eltern und salonfähige Homohasser in Talkshows drehen uns heute wieder vermehrt den Magen um. Tunte und Schwuchtel sind nach wie vor die geläufigsten Schimpfworte, um Jungs und Männer abzuwerten und anlässlich der CSDs flammt jedes Jahr wieder die Frage auf: Wie schrill darf Protest sein? ... Anpassung oder Angriff? Widerstand oder Wohlfühlhomo?
Die politischen Tunten, die sich aus der HAW (Homosexuelle Aktion Westberlin) und der Schwulenbewegung der 70er Jahre entwickelt haben, haben darauf eine deutliche Antwort die sich in ihrer Ästhetik ausdrückt.
Der Vortrag untersucht die Voraussetzungen und das politische Programm der Tunten und ihrer Ästhetik. Parallel werden die gesellschaftlichen Mechanismen erklärt, die zu ihrer politischen Schlagkraft und dem revolutionären Potential führen. Die Inhalte basieren auf einer wissenschaftlichen Arbeit, die die Erkenntnisse der aktuellen Geschlechterforschung und die Analyse von tuntiger Politik und Performance verknüpft. Es reicht aber nicht Tuntigkeit nur theoretisch zu fassen. Normen brechen und verzerren, Grenzen sprengen und die bürgerliche Wohlfühlzone umdekorieren, das geht nicht ohne Praxis. Mit anderen Worten: Der heteronormativen, zweigeschlechtlich denkenden Gesellschaft einen ordentlichen Arschtritt verpassen, lässt sich nicht allein vom Schreibtisch aus erledigen. Wer sich also schon immer gefragt hat, was mit Tunten eigentlich nicht stimmt, bekommt hier mehr als nur eine richtige Antwort.

Freitag 15:00

Kulturelle Aneignung im Hinblick auf Drag auf den heutigen Subkontext

Eine Podiumsdiskussion mit Professor Dr. Siegfried Zielinski und Professorinnen der HfG, sowie externen Wissenschaftlern und Aktivisten aus dem Kultur- und Sozialwissenschaftsbereich. Neben Host Prof. Anja Dorn und Siegfried Zielinski, kam direkt aus Berlin Dr. des. Anna Antonakis angereist. Besonders freuen durfte sich das Publikum durch die spontane Addition der "Die Patei"-Politikerin und Drag/Kunst Performerin Maria von Bolla.

Samstag 15:00

Im Werden – Perspektiven einer materialistischen Epistemologie auf die Rolle des Experimentierens mit sozialen Formen

Ein Vortrag von Autor und Philosophie-Student Matthias Hoch.

Folgen wir den, in der Theorielandschaft der Soziologie konsensuell vertretenen Thesen,
1) der Artifizialität sozialer Ordnung, bzw. der These über die Kontingenz sozialer Sachverhalte - der These, dass die Verfassung gesellschaftlicher Organisation nicht ohne Individuen ablaufen kann und hätte anders verlaufen können, wenn Individuen anders entschieden hätten und
2) der Resilienz sozialer Strukturen - der These, dass diese Teilbereiche sich gegenüber Individuen verselbstständigen, insofern sie diese überdauern und den Handlungsspielraum von Individuen einschränken, so ergibt sich hieraus unter Berücksichtigung des zeitlichen und historischen, wechselseitigen Transformationsprozesses von den in 1) und 2) als different behaupteten Relata das paradigmatische Bezugsproblem einer dialektisch-materialistischen Gesellschaftstheorie: Wie organisiert Gesellschaft sich selbst?
Angesichts der in 2) behaupteten Resilienz erscheint die Frage nach der Möglichkeit der Intervention in die Zyklen der Auseinandersetzung von Individuum und Struktur prekär. Welche Interventionsmöglichkeiten bleiben Individuen, wenn ihre Handlungsspielräume gerade durch diejenigen Strukturen vorgegeben werden, die zur Disposition stehen oder stehen könnten? Die Antwort, die hierauf gegeben werden kann, ist keine neue. Sie besagt, dass diese Interventionen einen spezifisch negativen Charakter besitzen müssen. Sie können nicht im strikten Sinne geplant, antezipiert oder selber wieder organisiert werden. Diese Formen der Einholung der Zukunft würden das Vorhaben der Intervention selbst unterminieren, wie sich bei Hegel, Marx, Adorno, Foucault, und Luhmann in verschiedenster Colour bereits vorformuliert lesen lässt. Die Antwort soll jedoch dahingehend abgeschwächt werden, dass es durchaus positiv bestimmbare Formen dieser negativen Interventionen geben kann; eine davon: Das Experiment.

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